Dienstag, 17. Januar 2012

Hausbesitzer schirmt seine Mieter gegen Strahlen ab

Mobilfunk: Erlanger Frank Herdegen investiert bis zu 20000 Euro in Schutzmaßnahmen—Opfer übernachten im Wohnmobil im Wald

VON HANS PETER REITZNER
Um seine Mieter vor hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu schützen, hat ein Hauseigentümer bei einem Umbau sein Gebäude in der Erlanger Innenstadt mit einer Abschirmung
gegen Mobilfunkstrahlen ausgerüstet. Kostenpunkt: zusätzlich 15000 bis 20 000 Euro zur Gesamtsumme von über einer halben Million.

ERLANGEN — Frank Herdegen beherzigt die alte Weisheit „Vorbeugen ist besser als Heilen“. Der 54-jährige, ökologisch engagierte Hausbesitzer ist sich sicher, dass die Investition
gut angelegt ist, weil er aus eigener Erfahrung bei Langzeiteinwirkung von Strahlen ein Risiko für die
Gesundheit sieht. Die Sanierung orientiert sich an Vorsorgewerten, wie sie vom bundesweiten
Bürgerforum Elektrosmog mit einem Mikrowatt pro Quadratmeter maximaler Belastung für Innenräume gefordert wurden. Herdegens Ziel: sich diesen Werten bei einer akut gemessenen Außenbelastung rund um das Gebäude von 200 bis 1500 Mikrowatt zumindest anzunähern. Durch einen Spezialanstrich mit einer hochdämpfenden schwarzen Abschirmfarbe ist die im Inneren ankommende Strahlung von Spitzenwerten von bis zu 150 Mikrowatt in fast allen Räumen auf Werte von zwei bis zehn gesenkt worden, so die Diagnose.

Damit nicht genug: Ergänzt wird dies durch den Einbau dreifach verglaster Thermofenster.
„Natürlich hat dies nur einen Sinn, wenn im strahlungsarmen Gebäudeinneren keine neuen massiven Strahlenquellen verwendet werden“, räumt Herdegen ein. Deshalb hat er die meisten Wohnräume mit eigener Telefonsteckdose und einem CAT 6-Internetanschluss ausrüsten lassen. Die neuen
fünf Mietparteien haben diesen Service freilich gerne akzeptiert und sich dazu verpflichtet, auf schnurlose DECT-Telefone, W-LAN und Mikrowelle zu verzichten.

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlen auf den Menschen werden in der Wissenschaft nach wie vor kontrovers diskutiert, das weiß Herdegen durchaus. Allerdings
kann er auf eine Resolution des Umweltausschusses des Europarats verweisen, der ein Umdenken in der Mobilfunkpolitik fordert. Auch die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation
hat im Mai 2011 Mobilfunkstrahlung als möglicherweise krebserregend eingestuft.
„Immer mehr Menschen klagen über gesundheitliche Probleme imZusammenhang mit Mobilfunk“, sagt Helga Krause aus Fürth, die Mobilfunkbeauftragte des Bundes Naturschutz (BN) in Bayern. Zuletzt traf es in Erlangen eine Handwerkerfamilie: Kinder und Eltern klagten über Schlafstörungen, Kopfschmerzattacken und Burn-out-Effekte — offenbar ausgelöst durch ein DECT-Telefon.
Vier Wochen, nachdem die Strahlenquelle entfernt worden war, fühlten sich alle Familienmitglieder wieder fit. Die Mobilfunkgegner haben zig Leidensberichte von „elektro-sensiblen“
Betroffenen gesammelt. Die Liste der Beschwerden liest sich besorgniserregend: Schlafstörungen, Allergien, Ausschlag, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Durchfall, Bluthochdruck. Die Ärztin Regina Vogt-Heeren aus Cadolzburg im Landkreis Fürth berichtet über massive Erschöpfungszustände
und Blutdruckprobleme, die erst verschwanden, als die Basisstation eines schnurlosen Telefons neben
dem Schlafzimmer entfernt worden war — „Mikrowellensyndrom“ nennen Experten diese „Krankheit ohne Namen“. Viele Menschen seien durch die permanente Strahlenbelastung bereits derart elektro-sensitiv, dass sie nachts mit dem Wohnmobil in den Wald fahren, um ruhig zu schlafen.

Forschungsbedarf besteht Der Leiter des Gesundheitsamtes Erlangen, Peter Lederer, zitiert dagegen
die weltweit bisher größte Studie mit einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren. Sie stütze die subjektiven Einschätzungen vieler Menschen, wonach elektromagnetische Felder gesundheitliche Gefahr darstellen, nicht. Dennoch sieht Lederer in Übereinstimmung mit (inter)nationalen
Gremien weiteren Forschungsbedarf. Der Bund Naturschutz, sagt Helga Krause unserer Zeitung, will das Erlanger Projekt als Modellbeispiel in der politischen Diskussion nutzen. Im Geldbeutel sollen die Mieter den Kraftakt nicht spüren. Frank Herdegen verspricht: „Ich verlange nur die ortsübliche Miete.“


Quelle: NN

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