Belegärzte und Hebammen gaben die Geburtshilfe auf !
VON ALEXANDER BROCK
Die Geburtshelfer der Sana-Klinik haben das Handtuch geworfen: Nach Recherchen der Nürnberger Nachrichten kommen seit Anfang des Jahres hier keine Säuglinge mehr zur Welt. Der Grund sind die steigenden Kosten für Haftpflichtversicherungen.
Eigentlich hätte die Entbindungsstation der Sana-Klinik an der Weiltinger Straße ein kleines Jubiläum zu feiern: Vor 20 Jahren kam der erste Spross in der Abteilung zur Welt. Zwar wirbt das Krankenhaus mit seinen 80 Betten auf der eigenen Internetseite noch immer mit seinem „Team von erfahrenen freiberuflichen Hebammen und niedergelassenen Fachärzten für Gynäkologie und Geburtshilfe“. Doch seit Anfang des Jahres ist es ruhig im Kreißsaal, kreischt kein Neugeborenes mehr. Denn die sieben Hebammen und beide Belegärzte gaben ihren Job in der Klinik auf.
Einer der Mediziner ist Vassilios Gianacacos, Frauenarzt in Stein. Seit 2006 hat der 48-Jährige gemeinsam mit einem Kollegen in der Nürnberger Klinik Entbindungen betreut. Die Geburtenzahlen gingen sogar Jahr für Jahr leicht nach oben. 2011 kamen hier rund 240 Kinder zur Welt.
„Mir tut das leid“
Nach oben gingen allerdings auch jährlich die Kosten für die Haftpflichtversicherung der Belegärzte und Hebammen: Verlangte die Versicherung 2007 von Gianacacos noch 11500 Euro, so waren es 2011 schon 20000 Euro. „Im vergangenen Jahr kündigte der Anbieter die Versicherung wieder auf und verlangte mit einem neuen Abschluss 40000 Euro pro Jahr“, rechnet er vor. Das aber schnürte den beiden Belegärzten die Luft ab. Da die Prämien für die Berufshaftpflicht auch für alle Hebammen deutlich gestiegen sind, sahen die sieben freiberuflich tätigen Frauen der Geburtshilfe in der Sana-Klinik ebenfalls kein Land mehr. „Mir tut das leid, ich hätte gerne weiterentbunden“, sagt Gianacacos. „Heute muss ich den schwangeren Frauen, die zu mir in die Praxis kommen, einen Korb geben und an ein anderes Krankenhaus überweisen.“ Der Abgang des Teams in der Sana-Klinik ist kein Einzelfall. So kamen 42 Jahre lang im Nürnberger Martha-Maria-Krankenhaus an der Stadenstraße Kinder zur Welt. Im Mai 2010 endete auch hier eine Ära — die Geburtshilfe wurde geschlossen, weil die Geschäftsführung der Klinik im Belegarztmodell keine Zukunft mehr sah. Im vergangenen Herbst zogen auch freischaffende Hebammen die Konsequenz und gaben einen Teil ihrer Arbeit auf: Seitdem gibt es keine Hausgeburten und Entbindungen in der Praxis mehr (wir berichteten).
Während diese Entwicklung in den Städten dazu führt, dass Schwangere keine Wahl mehr zwischen Klinik auf der einen und Hausgeburt oder von Hebammen geführten Entbindungen auf der anderen Seite haben, gibt es auf dem Land so gut wie gar keine Geburtshilfen mehr. Die Folge: Die Wege für die Frauen sind lang.
Frauenarzt Thomas Sattler war bereits Ende 2009 gezwungen, als Belegarzt der Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus Gunzenhausen aufzugeben. Der Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte in Mittelfranken prophezeit: Immer mehr kleine Krankenhäuser werden ihre Geburtshilfe-Abteilungen schließen. So haben in Mittelfranken in den vergangenen Jahren die Kliniken in Treuchtlingen, Gunzenhausen, Uffenheim, Bad Windsheim und Feuchtwangen ihre Entbindungsstationen aufgegeben. „Für eine Geburt erhält ein Belegarzt etwa 140 Euro“, erklärt Sattler. Mit 100 Geburten pro Jahr und den steigenden Kosten für die Haftpflichtversicherung im Nacken könne sich dieser nicht mehr über Wasser halten. „Schlimm ist, dass ein Arzt für einen Schwangerschaftsabbruch doppelt so viel bezahlt bekommt wie für eine Geburt“, sagt er. Für ihn sei das ein Indikator dafür, welcher Wert neuem Leben beigemessen werde.
Auf Granit gebissen
Sattler habe im Namen seines
Berufsverbands immer wieder gefordert, dass sich die Krankenkassen an
den Versicherungskosten beteiligen. Doch biss er da ebenso oft auf
Granit. Warum aber steigen die Versicherungsbeiträge
ins Astronomische? Sattler: Nicht die Fallzahl mit
Geburtenkomplikationen sei gewachsen, sondern die Schadenssumme. „Die
Sozialgerichte sprechen heute weit mehr Entschädigungen zu als
früher.“ Händeringend hat das Kreiskrankenhaus in Gunzenhausen einen
Nachfolger für Sattler gesucht. Es wurde sogar ein sogenannter
Headhunter beauftragt. „Der verlangte allein dafür, dass er den Stift
hebt, 10 000 Euro“, so der Gynäkologe. Genützt hat es nichts, ein neuer
Belegarzt für die Geburtshilfe fand sich nicht.
Das gleiche Schicksal scheint nun auch die Sana-Klinik zu ereilen. Auch das Krankenhaus sucht zwei Nachfolger für die abgesprungenen Fachkräfte und führt angeblich bereits Gespräche mit Interessenten. „Es ist nicht einfach, Geburtshelfer zu finden“, gibt Sana-Geschäftsführer Nils Brüggemann zu. Zum einen gebe es in Deutschland zu wenig Ärzte. Zum anderen sei die Arbeit wegen geringer Vergütung und hoher Versicherungskosten nicht attraktiv. Brüggemann betont: „Wir kämpfen aber um eine Fortsetzung unserer Geburtshilfe, wir werfen die Flinte nicht ins Korn.“
Das gleiche Schicksal scheint nun auch die Sana-Klinik zu ereilen. Auch das Krankenhaus sucht zwei Nachfolger für die abgesprungenen Fachkräfte und führt angeblich bereits Gespräche mit Interessenten. „Es ist nicht einfach, Geburtshelfer zu finden“, gibt Sana-Geschäftsführer Nils Brüggemann zu. Zum einen gebe es in Deutschland zu wenig Ärzte. Zum anderen sei die Arbeit wegen geringer Vergütung und hoher Versicherungskosten nicht attraktiv. Brüggemann betont: „Wir kämpfen aber um eine Fortsetzung unserer Geburtshilfe, wir werfen die Flinte nicht ins Korn.“
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