Wien / Brüssel - Ein Jahr nach der Abstimmung im
EU-Parlament, wo die EU-Saatgut-Verordnung mit einer überwältigenden
Mehrheit abgelehnt wurde, zieht die EU-Kommission ihren Vorschlag nun
endlich formell zurück. „Damit ist die EU-Saatgutverordnung endgültig
Geschichte. Das ist ein großer Tag für die Vielfalt und ein gemeinsamer
Erfolg von Hunderttausenden EuropäerInnen, die sich aktiv für die
Vielfalt eingesetzt haben“, freuen sich Iga Niznik, Referentin bei ARCHE
NOAH, dem Verein für die Erhaltung und Verbreitung der
Kulturpflanzenvielfalt und Heidemarie Porstner, Agrarsprecherin der
österreichischen Umweltorganisation GLOBAL 2000. EU-weit unterschrieben
rund 900.000 Menschen Petitionen gegen die Verordnung, allein in
Österreich unterstützen rund 500.000 die Petition „Freiheit für die
Vielfalt“, die auch von der Kronen Zeitung und Spar namhaft mitgetragen
wurde. „Dank der vielen UnterstützerInnen dürfen alte und seltene Sorten
von Kulturpflanzen - wie die Bohne Kaiser Friedrich, den Erdapfel
Linzer Rose oder den Kärntner Krachsalat Eisenkappel – jetzt wieder
aufatmen.“
Nicht zuletzt der Initiative von EU-Mandatarinnen Karin Kadenbach
(SPÖ) und von Elisabeth Köstinger (ÖVP) in unterschiedlichen Phasen bis
zur endgültigen Entscheidung ist es zu verdanken, dass die EU-Kommission
vom Neustart überzeugt werden konnte. „Wir bedanken uns ganz herzlich“,
betonen Porstner und Niznik.
Die EU-Kommission behält sich vor, noch während dieser Amtsperiode
einen ganz neuen Entwurf des heute geltenden EU-Saatgut- und
Pflanzgutverkehrsrechts vorzulegen. ARCHE NOAH und GLOBAL 2000 würde
eine grundlegende Neuausrichtung des EU-Saat- und
Pflanzgutverkehrsrechts tatkräftig unterstützen. "In einem
zukunftsweisenden Reformentwurf müssen Vielfaltspflanzen einen
gleichberechtigten Zugang zum Markt bekommen – auf Augenhöhe mit
modernen Hochzuchtsorten. Das bedeutet: Saatgut von Sortenraritäten darf
nicht auf Nischen, kleine Sackerln, kleine Mengen oder kleine Anbieter
beschränkt werden. Die behördliche Zulassung von Sorten, die de facto
nur Hochzuchtsorten und großen Firmen offen steht, muss freiwillig
werden“, fordert Iga Niznik von der ARCHE NOAH.
Für Heidemarie Porstner von GLOBAL 2000 ist klar:"Nur mit mehr
Vielfalt in der Landwirtschaft können wir den anstehenden ökologischen
und politischen Herausforderungen begegnen, sei es bei der Gemeinsame
Europäischen Agrarpolitik (GAP), der EU-Biodiversitätsstrategie oder der
EU-Eiweißstrategie. Auch aus ökologischer Sicht sind die
Vielfaltssorten unverzichtbar. Sie passen sich wesentlich leichter den
neuen klimatischen Gegebenheiten an, sorgen für bessere
Bodenfurchtbarkeit und sie sind standhafter gegenüber Krankheiten und
Schädlingen."
Seit der Vorstellung des Arbeitsprogramms der Juncker-Kommission
vergangenen Dezember war das Los der EU-Saatgutverordnung offen
geblieben. Die EU-Kommission hatte erwogen, die alte, gescheiterte
EU-Saatgutverordnung abgeändert nochmals vorzulegen statt sie
zurückzuziehen und durch einen gänzlich neuen Entwurf zu ersetzen. Der
wesentliche Unterschied: Während bei einem neuen Entwurf eine
Folgenabschätzung und das Anhören aller Stakeholder, z.B. auch der NGOs,
zwingend sind, fallen sie bei einer Überarbeitung weg. Nur durch das
Engagement der genannten Beteiligten konnte das abgewendet werden.
Sollte die Kommission die Reform tatsächlich fortführen wollen,
fordern ARCHE NOAH und GLOBAL 2000 neben einer grundlegenden
Neuausrichtung der Gesetzgebung höchste Sorgfalt bei der Ausarbeitung
eines neuen Entwurfes.
Die EU-Saatgutverordnung bedrohte die Vielfalt an Gemüse, Getreide
und Obst in Europa. Am 11. März 2014 hatte das scheidende EU-Parlament
die EU-Saatgutverordnung mit einer breiten Mehrheit zurückgewiesen.
Durch vielfältigste Initiativen wurde die Kampagne "Freiheit für die Vielfalt" von GLOBAL 2000 und der ARCHE NOAH unterstützt:
Die Petition "Freiheit für die Vielfalt" wurde wesentlich
unterstützt von der Kronen Zeitung, insbesondere von Mark Perry, und von
Gerhard Drexel von SPAR. Eine Baumpflanzaktion an der Alten Donau in
Wien machte auf die Bedrohung für Obstbaumsorten aufmerksam. Ein
nachhaltiges Zeichen setzten dort Ulli Sima (Umweltstadträtin), Frank
Hensel (REWE Group), Spitzenkoch Heinz Reitbauer, Dompfarrer Toni Faber,
Ö3-Moderatorin Nora Frey, Schauspieler Martin Oberhauser und
Kabarettist Werner Brix, der uns zudem ein Video zur Saatgut-Kampagne
schenkte. „Paradeiser-Kaiser“ Erich Stekovich sowie der Kochcampus
machten sich bei jeder Gelegenheit für die Vielfalt stark. Das
Gartencenter Bellaflora lies durch verschiedenen Aktionen die Vielfalt
erblühen. Ute Woltron (Autorin) machte mit der Aktion „Blaue Blume der
Hoffnung“ auf die Bedrohung von seltenen Blumen aufmerksam.
_______
Quelle
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen