Steigende Strompreise drohen künftig noch mehr Haushalte zu überfordern als bereits heute. Allein die N-Ergie hat in ihrem Versorgungsgebiet im vergangenen Jahr gut 5000 Kunden den Strom abgedreht, nachdem diese mit Zahlungen in Verzug geraten waren.
Allerdings gibt es auch Anzeichen dafür, dass verschiedene Beratungsund Hilfsprogramme greifen.
Stromsperren, das ist ein heikles und buchstäblich heißes Thema: Vor rund einem Monat kam eine 55-jährige Nürnbergerin bei einem Wohnungsbrand in Großgründlach ums Leben. Auslöser dürfte ein Campingkocher gewesen sein — vielleicht durch ein Missgeschick beim Hantieren mit dem Brenner oder der Gaskartusche. Die Tragik des Falls wurde erst im Nachhinein bekannt: Der Mieterin war vor acht Jahren der Strom gesperrt worden; sie hatte sich seither mit Notlösungen beholfen — und ist damit, nach Erfahrungen der Sozialdienste, durchaus kein Einzelfall.
Die Stromversorger verweisen regelmäßig darauf, dass ihnen Informationen über die persönlichen Lebensumstände ihrer Kunden fehlen. Vor allem darüber, ob in dem betroffenen Haushalt beispielsweise Kinder zu versorgen sind — dann sind Sperren regelmäßig besonders problematisch. Grundsätzlich werden Betroffene an den Allgemeinen Sozialdienst beim Jugendamt oder den Sozialpädagogischen Fachdienst beim Sozialamt verwiesen, wo auch die Fäden für das seit fünf Jahren laufende Energiesparprojekt (ESP) zusammenlaufen.
Und das hat inzwischen durchaus messbare Erfolge gebracht. Zum einen sieht es eine systematische Beratung bedürftiger Haushalte vor. Viele haben schon durch schlecht isolierte Wohnungen und veraltete Geräte höhere Belastungen zu tragen, können diese aber — wie alle Verbraucher — auch durch bewusstes Verhalten spürbar reduzieren.
Ebenso wichtig ist die zweite Säule des Programms: Um möglichst frühzeitig zu verhindern, dass es zu einer Sperre kommt, wurde 2010 ein enger Austausch zwischen dem Versorger und dem Allgemeinen Sozialdienst vereinbart. So profitieren auch Empfänger von Sozialhilfe vom jeweils günstigsten Tarif, wenn sie ihre Raten per Abtretungserklärung direkt vom Jobcenter an die N-Ergie überweisen lassen. Das soll nicht zuletzt ein (unoder zu spät bemerktes) Anhäufen von Außenständen vermeiden. Sind schon Schulden aufgelaufen, lässt sich das Unternehmen unter bestimmten Bedingungen auch auf ungewöhnlich niedrige Raten und einen Verzicht auf sonst übliche Gebühren ein, damit die Haushalte unter der Belastung nicht zusammenbrechen.
Späte Reaktion
„Im vergangenen Jahr gab es 2600 derartige Vereinbarungen, 600 mehr als im Vorjahr“, berichtet N-Ergie-Sprecherin Melanie Söllch. Allerdings werden die Möglichkeiten oft erst im allerletzten Moment in Anspruch genommen, bedauert sie. Deshalb seien bisher „nur leichte Effekte auf die Zahl der Sperrungen“ zu beobachten. Anders übrigens in Fürth: Auf ein ähnliches Projekt unter dem Titel Stromspar-Check führen es die Fachleute in der Nachbarstadt zurück, dass der Strom im vergangenen Jahr „nur“ noch 864 Kunden abgedreht worden sei, berichtete der örtliche Versorger infra. Noch im Jahr 2006 hatte dieses Schicksal 1545 Bürger und ihre Familien getroffen.
Freilich muss jede Sperre nicht nur durch Mahnungen längerfristig angedroht, sondern auch jeweils ein paar Tage vorher noch einmal konkret angekündigt werden. Die Betroffenen sollen die Chance erhalten, das Äußerste doch noch abzuwenden und Kontakt aufzunehmen, sei es zu Energieberatern oder Sozialdiensten. Immer wieder kommt es auch zu einem kurzfristigen Hin und Her von Sperrung und Wiederöffnung. Als Problem gilt in den Augen der Praktiker, dass Empfänger von Sozialleistungen die Ausgaben für Strom (außer beim Heizbedarf) grundsätzlich aus dem Regelsatz von Hartz IV oder der Grundsicherung aufbringen müssen — aber kaum einer mit der dafür angesetzten Pauschale von sechs Prozent auskommen kann.
Zur traurigen Wahrheit gehört allerdings auch die Beobachtung, dass manche Betroffene alle Warnsignale ignorieren. Sie verstehen Mahnschreiben aus sprachlichen oder anderen Gründen nicht oder wissen nicht, an wen sie sich wenden können, so Gundula Blaszyk, die Koordinatorin des Nürnberger ESP-Programms. Zudem sind die Verhältnisse in nicht wenigen Fällen so verfahren, dass die Betroffenen dem Schlamassel nur noch mit Hilfe von Spendenmitteln karitativer Organisationen entkommen.
Feuerwehreinsatz in Großgründlach:
In den Flammen starb eine Mieterin, die seit Jahren ohne
Strom lebte.
Feuerwehreinsatz in Großgründlach:
In den Flammen starb eine Mieterin, die seit Jahren ohne
Strom lebte.
Quelle:
WOLFGANG HEILIG-ACHNECK
Nürnberger Nachrichten
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